Mit der Nachlese 2017 möchte ich einen kleinen, analytischen Rückblick auf die Saison 2017 und die dort gemachten Erfahrungen wagen.
Aufgrund der Fülle wird es mehrere Teile geben.
Teil 2 – Radfahren
Im zweiten Teil geht es um die zweite Disziplin. Das Radfahren. Ich bin zum Triathlon gekommen, weil mir das Radfahren so viel Spaß gemacht hat, ich aber das Gruppenfahren beim Radsport nicht so richtig mochte. Ich schätzte mich daher am Anfang auf dem Rad (im Vergleich zum Schwimmen und Laufen) am stärksten ein. Bis ich aber ziemlich schnell merkte, dass Laufen meine Stärke ist.
Im Vergleich zum ersten Teil hat sich in der Nachlese und Analyse etwas getan. Die komplette Thematik der Trainingsplanung und Trainingssteuerung, Analyse der Ergebnisse, Zahlen, Statistiken usw. waren und sind für mich als Geek ein wesentlicher Bestandteil des Triathlons. Aber da hier, besonders auf der Langdistanz, doch einiges an Potenzial liegt und ich mir in der ein oder anderen Situation unsicher war, welche Richtung ich einschlagen sollte, hatte ich mich entschloßen an dieser Stelle mit einem Coach zusammenzuarbeiten. Ein Teil dieser Nachlese ist somit durch den Coach beeinflusst. Im Kern bestätigte er meine Grundannahme, aber korrigierte auch direkt ein zwei Punkte in meiner Herangehensweise an diese Baustelle. (Zusätzlich gab es natürlich noch vielen weiteren hilfreichen Input, der aber nicht in den Kontext dieses Artikels passt).
Meine Grundannahme
In den letzten Zügen vor dem IRONMAN Hamburg 2017 stieß ich bei den langen Radfahrten immer wieder auf die gleiche Herausforderung: die Beine werden Müde. Nun gut, das ist Teil des Spiels, aber das besondere daran war, ich von der Atmung und vom Puls her nicht wirklich angestrengt war. Nur muskulär gab es da immer ein zwei Tiefpunkte. Wenn dann die Leistung kurzfristig reduziert wurde, war alles wieder super. Die Beine hingen Herz und Lunge sowas von hinterher. Die Fähigkeit einen ganz bisschen dickeren Gang über längere Zeit zu drücken fehlte. Daher kam ich (bei 5h auf der Rolle hat man viel Zeit nachzudenken) zu folgenden Punkten:
- Ausdauer passt
- Kraftausdauer bzw. muskuläre Ausdauer passt nicht
- Bike & Handling passen auch nicht
Das dazugehörige Radtraining hatte ich so gestaltet, dass ich die Ausdauerfahrten an der aeroben-anaeroben Schwelle (sprich Übergang Zone 1 zu Zone 2) nach Watt gefahren bin und das Kraftausdauertraining habe ich im Kopf immer direkt mit Training an der (anaeroben) Schwelle (FTP, Zone 4) verbunden. Und hier passt die Leistung eigentlich ganz gut.
Als Grundannahme für die Schwäche bzw. für die Verbesserung der Schwäche sagte ich mir dann folgendes: Ausdauerfahrten nicht mehr am Übergang Z1/Z2 sondern in der Mitte der Zone 2 fahren, dann werden auch die Beine bei vielen KM stärker, bzw. widerstandsfähiger.
Das Thema Bike und Bikehandling ist ebenfalls eine Schwäche, die in diesem Artikel etwas zu kurz raten wird. Zusammengefasst heißt es ab: Bike nicht steif genug, Bike und ich haben nicht die beste Abstimmung aufeinander. Dadurch fühle ich mich in „schnellen“ Kurven in der Aeroposition alles andere als wohl. Ich sitze nicht passend dafür drauf und gefühlt verzieht sich alles in den Kurven – besonders die Laufräder.
Um die Grundannahme zu bestätigen, baute ich mir ein paar Charts in WKO4 und ging auf die Suche.
Achtung Bias-Alarm: die Analyse ist natürlich durch die die vorherige Grundannahme etwas voreingenommen. Wie heißt es so schön: „wer nach Beweisen für etwas sucht, von dem er überzeugt ist, wird sie überall finden. Auch da wo keine sind.“ Die Amis nennen so eine Fehlleistung Bias. Im konkreten Fall wäre es die confirmation bias.
Vergleich zu den vorherigen Saisons
Als erstes ein grober Vergleich der Saison 2017 mit den vorherigen Saisons. Die interessanten Bereiche habe ich einmal markiert
- In 2017 bin ich mehr Rad gefahren als in den Vorjahren. So sollte es für ein Langdistanz-Training auch sein. Aber so richtig viel mehr war es nun zu 2016 auch nicht!
- Der Zuwachs von Trainingsstress (TSS) zu 2016 war hauchdünn. Mehr Dauer, gleichviel Trainingsstress? Bedeutet, weniger Intensitäten im Training. Okay, eine Langdistanz fährt man auch nicht intensiv. War das jetzt eine kluge Umverteilung von Trainingsstress oder schlicht und einfach zu wenig Trainingsstress?
- Die durchschnittliche Dauer der langen Radfahrten war im Vergleich zu 2016 auch höher.
- Die durchschnittliche Intensität des Radtrainings lag einen Prozentpunkt tiefer als im Vorjahr. IF von 0.65? Bedeutet im Schnitt 65% vom FTP. Das wäre so in etwa die Mitte der Zone 2. Allerdings wird der IF (Intensity Factor) nach der normalisierten Leistung berechnet. Und dadrin sind alle intensiven Spitzen (kleine Hügel, Sprints, Antritte, etc.) entsprechend nach oben gewichtet. Das werte ich als Indikator für ein in Summe wenig intensives Training.
- Wieviel Input habe ich auf dem Rad für die Leistung reinstecken müssen? Die Herzfrequenz war zu 90% (!) in den Zonen 1 und 2. Passt in etwa zum IF von 0.65 und der Beobachtung, dass mein Herz-Kreislauf-System deutlich stärker ist als meine Beine. Viel in dem Bereich zu sein passt zu der 80/20-Regel. Aber 90% sind dann eventuell doch 10% zu viel. Und es bleibt auch noch die Frage offen, wie sich die 90% zusammengesetzt haben. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. (PS: die 80/20-Regel bzw. die Time in Zone hatte ich 2017 fast vollständig auf Watt bezogen und die Herzfrequenz zu sehr außer Acht gelassen)
- Eine Übersicht über die Bestleistungen im Vergleich zu den Vorjahren zeigt eigentlich eine Entwicklung. Besonders im Bereich um die 20 Minuten. Die längeren Bereiche sind zwar knapp besser geworden, aber besser. In Summe aber nicht ausreichend um den Single Factor of Success (mFTP) zu verbessern. Gerade die längeren Fahrten hätten etwas härter anzugehen (zu der passenden Zeit!) hätten die Beine eventuell etwas robuster machen können.
- Was sagen die erweiterten Metriken? TTE und Stamina sind zu niedrig! Das spiegelt zum einen die fehlende Müdigkeitsresistenz in den Beinen und zum anderen diese implizierte „Big is better“ oder „Mehr Watts“ wieder. „Longer is better“ oder „Diese Watts länger halten“ wäre für ne Langdistanz dann die bessere Strategie.
In Summe würde ich aber die Grundannahme bisher so bestätigen, dass die Wurzel allen „Übels“ im Grundlagentraining steckt. Also wird das nun genauer unter die Lupe genommen!
Ein genauerer Blick in das Grundlagentraining
Bei den Ausdauerfahrten hat sich eine Beobachtung fast immer wiederholt: Leistung am unteren Ende der Zone 2, Puls und Atmung überhaupt nicht angestrengt.
Ich hielt das für ein gutes Zeichen. Für eine gute Grundlagenausdauer. Wunderte mich aber, dass ich dabei nicht effizienter wurde (EF blieb gleich). Im Endeffekt konnte nicht nicht effizienter werden (niedrigere HF), da eine noch niedrigere HF einfach nicht mehr geht 😉 Gleichzeitig habe ich muskulär immer nur das gemacht, was ich eh schon konnte und habe keinen (bzw. nur noch einen sehr geringen) Entwicklungsreiz auf das aerobe System gegeben. Da der Puls dafür viel zu viel im Erholungsbereich war. Na das passt doch dazu, dass ich muskulär nich hinterher kam. (PS: Was für ein Reim!). Ein bisschen intensiver die Grundlagen fahren und die Muskeln hätten Arbeit bekommen und hätten sich entwickeln können und die Ausdauer wäre auch noch besser geworden! Hätte, hätte, hätte. Zum Glück gibt es ja eine neue Saison 😉
Der Formaufbau und der Saisonverlauf
Abschließend möchte ich noch einen Blick auf den Saisonverlauf wagen.
Im groben und ganzen sind sieben Abschnitte des im Formaufbau zu erkennen.
Abschnitt 1 – Im Winter alles diszipliniert. Formaufbau geregelt auf der Rolle. Zunehmende Belastung und Fitness (steigender CTL), regelmäßige Entlastung, aber kontinuierlich in einem produktiven Trainingsstress (negativer TSB).
Der Abschnitt 2 sieht da schon ganz anders aus. Ein reines Auf und Ab. Bisschen erholt, bisschen Trainingsstress… kein wirklich produktiver Reiz. Fitness stagniert (gleichbleibender CTL). In Abschnitt 1 hatte ich mich durch reines FTP und VO2max-Training auf der Rolle durch den Winter gerettet. Das war der Versuch einer Reverse-Periodization. FTP und VO2max gingen zwar durch die Decke, allerdings war das echt hartes Brot. Mit Abschnitt 2 hatte ich dann wieder auf eine klassische Periodisierung umgeschwenkt und habe erst einmal die Ausdauer wieder nachgeholt. Und da hierbei die Intensität zu niedrig (bzw. für die niedrige Intensität die Dauer zu kurz) war, hat der Reiz nicht gereicht, um die Fitness weiterzuentwickeln. Nur die längeren Einheiten am Wochenende hatten entsprechende (nach PMC-Logik) Reizwirkbarkeit. Die Gesamtfitness habe ich zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich über das Laufen gerettet.
Abschnitt 3 war durch (im vergleich zum Abschnitt davor) Monster-Workouts am Wochenende und VO2max-Training unter der Woche geprägt. Der Trainingsreiz war zwar groß, aber eher auf ein paar Momente konsolidiert, anstatt das er progressiv über die Periode anwächst. Über denn gesamten Abschnitt gesehen, bin ich mir nicht sicher, ob dies so produktiv war.
Der Abschnitt 4 bestand wieder aus konsolidiertem Stress am den Wochenenden und unter der Woche war das Training auf dem Rad wenig produktiv. Laut Trainingstagebuch standen an den Wochenenden lange Radfahrten mit Wettkampftempo an und unter der Woche (da dort die Zeit ja limitiert ist) kürzeres Training an der Schwelle. Im Endeffekt gabs an den Wochenenden produktives Grundlagentraining und das Schwellentraining unter der Woche war alles andere als optimal. (da die Grundlagenausdauer ja produktiv gerade erst entwickelt wird, war das Schwellentraining nicht hart bzw. nicht lang genug um einen ausreichenden Trainingsreiz zu setzen).
Abschnitt 5 zeigt ein versautes Tapering für die Test-Mitteldistanz. Durchfalltag nach komischen Essen und dadurch verpasste Einheiten. Versucht mit intensiven Einheiten die Zahlen zu korrigieren. Anstatt eine progressiven Erholung gab es eine viel zu frühzeitige Hauruck-Erholung mit ein paar Anstrengungen und dann eine viel zu lange erholte Zeit. Im großen und ganzen habe ich hier wahrscheinlich sehr viel Fitness verloren und wenig produktiv für die LD trainiert.
Abschnitt 6: Hauptsächlich Wettkampfsimulationen, rest wenig kontinuierlicher Trainingsstress, da Erholung angesagt war. Im Prinzip vorbildlich vor einer LD, wenn der Rest des Formaufbaus etwas kontinuierlicher abgelaufen wäre. Der Graph müsste dafür in den Abschnitt zuvor so wie in Abschnitt 1 aussehen.
Abschnitt 7 war das Tapering und der IRONMAN Hamburg. Die Erholung könnte etwas weniger steil dafür mehr progressiver sein. Aber Tapering ist im Endeffekt mehr Kunst als Wissenschaft und mit dem Ergebnis war ich eigentlich weitestgehend zufrieden!
Fazit: Zu viele Unterbrechungen im Formaufbau! Die Periodisierung hat nicht ganz gepasst. Der Wechsel der Inhalte und die zur Verfügung stehende Zeit haben nicht perfekt harmoniert. So konnte ich Streckenweise mit weniger Intensitäten (da Trainingsdauer zu kurz) nicht genügen Trainingsstress für eine Anpassung erzeugen. Und da dadurch die Grundlagen zu schwach waren, konnte das Schwellentraining (womit man in kurzer Zeit viel Fitness produzieren kann) nicht voll ausgeführt werden, was wieder zu zu wenig Trainingsreiz geführt hat.
Ein paar Worte zum Bikehandling
Der Artikel bezieht sich hauptsächlich auf die Fitness des Radfahrens. Das Bikehandling gehört aber ebenfalls mit in die Gesamtrechnung. Was bringen einem 1000 PS, wenn vor jeder Kurve erst mal auf 0 km/h runterbremsen muss? Mit meinem aktuellen Bike komme ich aktuell in Aeroposition nicht flüssig durch die Kurven:
- Viel Rolle fahren, macht das Handling nicht besser
- Rad zu weich und nicht das beste Fitting für Power und Handling
- Bessere Sitzposition = schlechteres Handling, da zu weit über der Vorderradachse
- Laufräder zu weich für schnelle Kurven
- Bergab Trauma (eine Kopfsache nach einer hässlichen Shimy-Effekt Abfahrt mit dem Rennrad)
Und wie lief das Radfahren beim A-Rennen?
Naja, da ich im Wettkampf viel Zeit am Straßenrad verbracht habe, um mein Rad zu richten, hatte ich ja genug Erholungspausen 😉 Die muskuläre Ermüdung hatte ich nur kurz gegen Ende gespürt. Dann kam schon ein schnelles Teilstück und danach war die Wechselzone schon nah dran. Der Kopf und die Vorfreude hat dann die muskuläre Ermüdung überspielt. Der Marathon im Anschluß war jedenfalls großartig.
Wie es ohne den „Radcrash“ (das Rad wurde beim Dixi-Stopp umgeworfen: Laufräder verzogen, Bremsen blockierten, Powermeter musste neu justiert werden) ausgegangen wäre, steht in den Sternen. Rein mathematisch hätte mir das eine deutlich schnelleres Finish eingebracht. Allerdings tippe ich in der Retroperspektive dadrauf, dass meine Beine auf dem Rad dann angefangen hätten schlapp zu machen. Der Lauf danach geht eigentlich immer gut. Die Frage ist nur, wie mir die schlappen Radbeine dann im Kopf zugesetzt hätten und ob der Lauf vom Kopf her genauso ein Spaß geworden wäre. But you never know 😉
Was wird für 2018 anders gemacht?
- Weniger Junk! Im Prinzip waren die Grundlagenfahrten zu viel Junk, zu wenig Reiz
- Grundlagen nach HF (Input), Watt (Output) ist dann das Ergebnis
- Mehr Reiz auf die Beine UND weitere Entwicklung des aeroben Systems
- Nicht so verkopft auf einen optimalen Wattwert zielen, sondern innerhalb der Trainingsbereiche bewegen
- Fatigue Resistance verbessern – Strategie: Während einer Periode den Leistungsbereich nicht nach oben verbessern, sondern verbreitern (länger ist besser!)
- Neues Bike für besseres Handling (ist einen eigenen Artikel wert) und bessere Kraftübersetzung anschaffen
- Bikefitting!
- Bergabtrauma besiegen: Für Rennen mit Bergab-Passagen gemeldet